BSG verwirft Freiburger Konzept zur Angemessenheit von Kosten der Unterkunft

In der mündlichen Verhandlung vom 13.4.2011 hat das Bundessozialgericht das Urteil des SG Freiburg zum Az S 18 AS 3993/08 und das Berufungsurteil des LSG zum Az L 1 AS 3815/09 aufgehoben und die Sache zu weiteren Ermittlungen an das LSG zurückverwiesen (B 14 AS 106/10 R). Nachdem das SG Freiburg und das LSG Stuttgart das Freiburger Konzept in einer ganzen Reihe von Entscheidungen bestätigt hatten, ist das einerseits eine kleine Sensation. Andererseits sind die Entscheidungen der Instanzgerichte tatsächlich nicht ohne weiteres nachvollziehbar, denn die entscheidende Frage, ob es Wohnungen, die als angemessen gelten, am Markt überhaupt gibt, war von SG und LSG weitgehend ausgeblendet worden.
Das BSG hat das Konzept der Stadt Freiburg nun verworfen, weil es den Anforderungen an die Plausibilität eines Konzeptes zur Bemessung der Angemessenheitsgrenze nach § 22 Abs. 1 SGB II, die das BSG entwickelt hat, entgegen den Auffassungen der Instanzgerichte nicht entspricht.
Das Konzept der Stadt Freiburg, das seit dem Jahr 2007 in Kraft ist, sieht vor, das eine gedachte Wohnung als Maßstab für die Angemessenheit gilt, die eine Reihe von frei gewählten Kriterien des Mietspiegels erfüllt. All diese Kriterien bedingen einen Abschlag von der Basismiete, die der Mietspiegel ausweist. Kriterien, die Zuschläge verursachen, wurden nicht berücksichtigt. Die theoretische Miete für eine solche gedachte Wohnung galt bislang als obere Grenze angemessener Unterkunftskosten in Freiburg.
Die Stadt Freiburg hat dabei nicht geprüft, ob solche Wohnungen überhaupt und ggf. in welcher Zahl existieren und auf dem Mietwohnungsmarkt angeboten werden. Das Berufungsgericht meinte wie das Sozialgericht Freiburg, allein daraus, dass man für eine gedachte Wohnung vermittels des Mietspiegels einen theoretischen Marktpreis ermitteln könne, lasse sich schließen, dass solche Wohnungen auch tatsächlich existierten. Das BSG hat dem LSG nun aufgegeben, konkret zu ermitteln, in welcher Zahl Wohnungen, die als angemessen gelten sollen, tatsächlich am Markt zur Verfügung stehen.
Das BSG hat damit die Kritik am Freiburger Konzept, nach der die Angemessenheitsgrenzen letztlich willkürlich festgelegt worden seien, bestätigt und den Instanzgerichten aufgegeben, sachgerechte Ermittlungen zur Bezifferung der Angemessenheitsgrenze anzustellen. Dabei wird insbesondere zu berücksichtigen sein, dass Empfänger von Grundsicherungsleistungen nicht (wie bislang) auf Wohnungen verwiesen werden können, die es gar nicht gibt. Das erscheint auf den ersten Blick banal, aber es bedurfte doch einer mehr als vierjährigen Auseinandersetzung, um ein entsprechendes Urteil zu erlangen. (Alle Gerichtsentscheidungen und alle wichtigen Schriftsätze aus diesem Verfahren finden Sie demnächst in unserer Verfahrensübersicht.)

Die schriftliche Begründung des BSG-Urteils dürfte erfahrungsgemäß erst in einigen Monaten vorliegen.

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